... hat meine Schwester zwei altes Fotos von mir. Sie sind aus dem
Jahr 1988. Also 35 Jahre alt. Da war ich halb so alt wie jetzt.
Habt jetzt bitte keine Sorge, dass ich euch, weil ich sonst nichts zu zeigen habe, nun alte Fotos von mir aus meiner Jugend hier poste. Nein, nein.
Ich zeige sie aus einem bestimmten Grund. Ihr seht mich hier an meinem damaligen Nähplatz sitzen. In unserer 56 m² Wohnung mit Wohnzimmer, Schlafzimmer, Kinderzimmer, Küche und Bad gab es leider keine andere Ecke, die ich ständig als Nähplatz hätte belegen können. Das größere Schlafzimmer, wo es evtl. ein Plätzchen gegeben hätte, hatten wir unserem Sohn als Kinderzimmer gegeben. Meine geliebte Schranknähmaschine "Veritas", die ich zur Hochzeit 1972 von meinen Eltern bekam, stand im kleinen Flur. Links daneben war die Badtür. Rechts daneben war der Eingang zur Küche, wegen Platzmangel offen - ohne Tür.
Aber
wir hatten noch einen verglasten Balkon. Der war so lang wie das
Wohnzimmer, nämlich 6 m, aber nur 90 cm breit. Zu schmal also, um einen
Schrank oder eine Nähmaschine hinzustellen. Außerdem war der Balkon im
Sommer durch die Südseite viel zu heiß und im Winter viel zu kalt.
Schließlich wohnten wir in Oberhof, in den Höhen des Thüringer Waldes.
Ich hatte keinen Tisch zum Zuschneiden, das geschah auf dem Esstisch im Wohnzimmer. Ich hatte keine Ablage für Handwerkzeug, das lag immer auf einem Stuhl daneben. Das Bügelbrett stand im Schlafzimmer. Wenn jemand von einer Seite der Wohnung zur anderen wollte, musste ich meinen Stuhl vorrücken, damit man durchkam.
Und trotzdem habe ich viel genäht. Mein Material,
welches sich auf Nähgarne, Stickgarne, Handwerkzeug usw. beschränkte,
lagerte in den Schubladen der Nähmaschine. Anderes Material wie Stoffe
kaufte man ja nicht, wie heute, weil einem etwas gefiel, sondern weil
man es brauchte. Und das wurde dann gleich verarbeitet und nicht
jahrelang gehortet. Deshalb gab es keinen ungenutzten Stoffvorrat.
Außerdem war das Angebot zur damaligen Zeit ja ohnehin sehr überschaubar.
Einen Vorteil hatte die Beengtheit aber auch. Ich räumte immer alles weg, wenn ich aufhörte, zu nähen. Die Nähmaschine klappte ich in den Schrank, legte einen Läufer darauf und man sah nicht, dass es eine Nähmaschine war. Denn schließlich stand die Nähmaschine gleich im Blickfeld, wenn man jemanden die Wohnungstür öffnete.
Heute bin ich froh, ein eigenes Zimmer nur für meine kreativen Betätigungen zu haben. 15 m² nur für mich. Das empfand ich gleich, als ich die beiden Fotos sah. Leider wertschätzt man das, was einen ständig umgibt, nicht immer so, wie es nötig wäre. Ich hab mal wieder darüber nachgedacht und bin glücklich, dass es so ist. Wenn man es genau überlegt, ist es auch ein klein wenig Luxus.