Schon als Kind hat es mir Freude gemacht, kleine Geschichten zu erfinden und sie in Notizbüchlein festzuhalten. Ich hab sie immer nur für mich niedergeschrieben. Manches habe ich dann meinem Sohn vorgelesen, wenn er die "üblichen" Geschichten, die man so beim Zubettbringen vorliest, langweilig fand.
Aber auch jetzt fällt mir hin und wieder mal was ein, was mir schreibenswert vorkommt und es gibt sie noch, die kleinen Notitzbüchlein mit meinen geistigen Ergüssen. Eine dieser Geschichten handelt von einem Quilt. Sie war ein kleiner Beitrag, als meine Freundin ihren ersten Patchworkkalender im Eigenverlag Quiltartig- Christine Lindner im Jahr 2006 herausgab. Unter dem Titel "Das geflickte Jahr" bekam man mit diesem Almanach einen tollen Kalender in die Hand, um alle wichtigen Termine rund um das Hobby (und natürlich auch andere) einzutragen. Der Almanch war aber auch eine Fundgrube mit schönen Abbildungen von Quilts, Arbeitsanleitungen, schlauen Sprüchen, Rätseln wunderschönen Grafiken und, und, und...
Einige Zeit erschien jährlich so ein Kalender. Schade, dass es ihn nicht mehr gibt, war er doch der einzige seiner Art in Deutschland. Aber jetzt verrate ich ein Geheimnis- bitte nicht weitersagen. 2017 wird es wieder einen geben.
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Mit freundlicher Genehmigung der Verlegerin. |
Hier der Originaltext der Geschichte.
Mein erster Quilt oder Eigentlich wollte ich ein Fahrrad
verkaufen
Das Fahrrad in unserer Garage war uns schon lange im Weg.
Man konnte es doch nicht einfach zum Sperrmüll geben, es hatte doch unserer
Tochter so viele schöne Erlebnisse gebracht. Es war ihr erstes Selbstfinanziertes.
Weil sie schon lange ein „richtiges“ Fahrrad wollte, nicht mehr so eins für
Kinder, hatte sie vor vielen Jahren den Entschluss gefasst, alle um
Geldgeschenke zu bitten, wenn Geburtstag, Weihnachten oder vielleicht gute
Zensuren ins Haus standen. Jawohl, ein richtiges Damenrad sollte es sein….
Radtouren mit der Schulklasse, Fahrten zum ersten Freund, der
erste Fahrradurlaub, wie viele schlaflose Nächte für uns sind mit diesem Rad verbunden. Wir konnten immer
erst wieder ruhig schlafen, wenn sie von
ihren Ausflügen zurück war.
Wie lange ist das schon her? Nun fährt sie Kinderwagen und
ein Auto und das gute alte, damals lang ersehnte Rad nimmt uns nur Platz weg.
Samstagmorgen. Im Haus ist es still, ich sitze mit einem
duftendem Kaffee in der Küche und lese meine Zeitung, bevor die übrigen
Mitglieder der Familie kommen und die erste Mahlzeit ihrer seit Jahren
gewohnten Vollpension einnehmen möchten. Da lese ich eine Anzeige.
„Gebrauchtes Damenrad, auch älteres Modell, fahrbereit,
preisgünstig zu kaufen gesucht“. - Das wär’s, ich verkaufe das Rad. Und wenn
die Tochter mal wieder mit dem Enkel kommt, dann bekommen sie das Geld und mein
Mann endlich mehr Platz in seiner Garage.
Es ist noch nicht mal 8 Uhr, ob ich da schon anrufen kann? Wenn
ich warte, dann bietet vielleicht jemand anderes ein Fahrrad an und ich bleibe
auf unserem sitzen. Nur Mut, diejenige muss ja wissen, dass auch am frühen
Morgen Leute Zeitung lesen.
Gedacht, getan- die Dame hat Interesse und kommt gleich morgen,
um das Rad zu besichtigen. Sie möchte nach vielen Jahren wieder etwas für ihren
Körper tun, sich erstmal langsam an das Radfahren rantasten und sich später
dann ein Neues kaufen.
Der nächste Tag, ein Frühlingstag mit Regen, Wind und ziemlich
niedrigen Temperaturen. Es klingelt, Frau M. steht vor der Tür und stellt sich
als die Fahrradinteressentin vor. Wir gehen um die Ecke zur Garage. Dort steht
es, das gute Stück, extra vom Staub der Jahre befreit, mit einer alten Decke
bedeckt. Frau M. ist hin und weg- von der Decke! Es ist eine meiner ersten
Patchworkdecken, für den Sohn vor mehr als 30 Jahren genäht.
Sie nimmt sie in die Hand und streichelt sie wie eine gute
alte Bekannte. Es sind nur Quadrate, mit der Schere nach Augenmaß
zugeschnitten, mit der Maschine nicht exakt genäht und vom vielen Benutzen im Bett,
auf dem Fußboden, im Garten und am Strand schon recht verschlissen.
Ob ich die selbst gemacht hätte, wie alt sie sei, ob ich
noch weitere angefertigt habe usw., usw. Ich bat Frau Müller ins Haus, denn die
Garage war für eine Unterhaltung recht ungemütlich. Ich erzählte ihr von meiner
Freude am Nähen, von meinen Quilts, die neben meinen Pflichten als berufstätige
Mutter, Hausfrau und der Beschäftigung im Garten so im Laufe der Jahre
entstanden sind. Plötzlich hatten sich, ohne dass dies zu vermuten war, zwei
Quilterinnen gefunden, die nur ein paar Kilometer weit entfernt alleine vor
sich hinquilteten. Sie erzählte von ihren Quilts, ich zeigte ihr einige von
meinen, die Zeit verging. Wir verabredeten einen neuen Treff, schauten unsere
Quilts an, tauschten Erfahrungen und Stoffe aus, redeten über dies und das und
stellten fest, dass die Chemie zwischen uns stimmte.
Seit diesem Tag ist nun schon eine lange Zeit vergangen,
gemeinsame Patchworkausstellungen haben stattgefunden, zusammen haben wir
Patchworkkurse gegeben, denn alleine fehlte jeder immer der Mut dazu. Mit den
Kursteilnehmerinnen treffen wir uns regelmäßig zum Patchen und zum Austausch
von Erfahrungen, Tipps und Tricks. Ein richtige „Patcher- Szene“ hat sich im
Umkreis gebildet. Ein gutes Gefühl, Quilter- Freundinnen gefunden zu haben,
deren Existenz eine echte Bereicherung zum Alltag ist. Nur einer ist bei dieser
Entwicklung nicht so zufrieden- mein Ehemann. Er klagt noch immer über das
nutzlos in der Garage stehende Fahrrad. Er wird nun wohl die Entsorgung selbst
in die Hand nehmen müssen. Denn was haben Quilterinnen mit einem Fahrrad am Hut?
Text: Regina Langbein