oder Gedanken, hervorgerufen durch ein paar Tage Müßiggang.
"In der Umgangssprache besitzt der Müßiggang eine negative Bedeutung als Laster und wird in der Regel mit Faulheit in Verbindung gebracht. Faulheit oder Trägheit zählen in der christlichen Theologie sogar zu den sieben Hauptlastern."
Heute
gibt es hier nur mal so ein wenig Geplapper. Geplapper von diesem und
jenem, von Dingen, die einem so durch Beobachtungen durch den Kopf
gehen. Hervorgerufen durch Müßiggang.
Was
macht man, wenn man in der Therme so auf der Liege liegt und nichts zu
tun hat? Mit wem redet man, wenn der Göttergatte seine Hörgeräte im
Hotelzimmer lässt. Weil er sie ja beim Baden ohnehin nicht tragen kann,
sonst könne er ja nur mit erhobenem Kopf im Wasser sein und das ist auf
die Dauer sicherlich anstrengend.
Was macht man also den ganzen Tag? Beim Nichtstun sollte man sich ja auch nicht übermäßig beeilen und dann kann es schon sehr langweilig werden. Die Luft unendlich warm, zu warm. Es dauert eine Weile, bis sich der Körper daran gewöhnt hat. Leider gibt es kein einziges Becken mit richtig kaltem Wasser. Außer dem Tauchbecken in der Sauna.
So nun liegt man da und guckt so vor sich hin. Der Gatte hat bereits die Augen zu und schaut sich von innen an.
Das Buch, das man sich zum Lesen mitgenommen hat, ist ziemlich dick, fast 500 Seiten und auch vom Gewicht her ein ganz schöner Brummer. Und dazu ist es noch ein Geborgtes. Der Schutzumschlag wurde zu Hause mit einem Einband aus Papier getauscht. Das mache ich bei geborgten Büchern immer so. Allerdings hätte ich eine Folie verwenden sollen. Was macht man aber, wenn man ein schweres Buch beim Lesen im Liegen nicht auf seinen Bauch abstellen kann, weil dieser ja mit einem nassen Badeanzug bedeckt ist?
So ein Halten mag ja gut sein für die Armmuskulatur, aber ich brauche für den Rest meines Lebens alles andere als starke Armmuskeln....
Ich lege das Buch weg, das ist mir einfach zu anstrengend. Ich bin ja schließlich zur Entspannung hier.
Ich könnte ja …
Also bastele ich mir aus einem der Frühstücksbeutel, die ich immer im Gepäck habe, einen "Leihbuchnässeschutz". Die Frühstücksbeutel benutze ich, um die (verbotenerweise) vom Frühstücksbuffet mitgenommenen zwei Äpfel oder zwei Bananen oder zwei Mandarinen hineinzutun. Habt ihr es richtig gelesen, ich habe oder, nicht und geschrieben.
Aber irgendwie kann ich mich bei den Umgebungsgeräuschen nicht wirklich auf das Buch konzentrieren und lege es zur Seite.
Was
macht man also den ganzen Tag? Man beobachtet die Menschen, die sich
überall bewegen, von unserem gewohnten Platz aus hat man einen guten
Überblick. Denkt jetzt nicht, wir hätten ihn deshalb so gewählt.
Apropos
Bewegen: Man lernt auch was dazu. Was meint ihr, wie lange kann ein
Mensch in über 40 Grad warmen Wasser ausharren, ohne sich zu bewegen?
Ich
habe sogar die Erkenntnis gewonnen, dass man als Mensch auch im Wasser
schlafen kann. Eine Langzeitstudie an einem unserer Tage dort hat es mir gezeigt.
Delfine, Haie oder auch Flusspferde
schlafen unter der Wasseroberfläche, brauchen zwischendurch aber
Sauerstoff. Und dann gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Tiere, die
auch im Wasser schlafen, aber immer wachsam sein müssen. Und Menschen???
Genau
vor uns ist das Becken mit dem wärmsten Wasser. Ohne dass ich es möchte,
habe ich stets den Blick auf einen sehr korpulenten Herrn, der genau um
12 Uhr das Becken betreten hat. Er hält sich seit über 1 Stunde an der
gleichen Stelle mit seinem Kinn an der Stange am Beckenrand fest. Nach
etwa einer Stunde dreht er sich, liegt mit dem Nacken auf der Stange und
hat die Augen geschlossen. Ich denke, er ist eingeschlafen, denn ein
Herr hat ihn angesprochen und er hat nicht reagiert. Und jetzt sage ich
euch was, um 16:30 ! Uhr, also nach fast 5 Stunden befindet sich der Mann
immer noch dort. Er hat nicht ein einziges Mal die Stelle und das
Wasser verlassen. Wie lange er noch dort ist, kann ich nicht sagen, wir sind dann gegangen.
Schlafen konnte ich nicht, da der Lärm von fünf schnatternden älteren Damen, die sich immer an der gleichen Stelle genau vor uns im Becken treffen, fast schon störend war. So laut wie sie sprechen, haben sie vermutlich alle Hörgeräte, die sie natürlich ebenfalls herausnehmen, um sie vor Spritzwasser zu schützen. Sie haben sich viel, sehr viel zu erzählen. Ohne dass ich es möchte, kenne ich jetzt einen Teil ihrer Familiengeschichten.
Auch von den Erbschaftsprobleme der Nachbarin Martha-Luise, die davon ausgegangen ist, Alleinerbin zu sein, habe ich nun Kenntnis.
Ich erfahre von den Problemen der Fam. J. ; deren Schwiegersohn sich trennen will, um lieber mit einem Mann zusammenzuleben. Die Einstellung, die die Damen dazu artikuliert haben, erspare ich euch lieber.
Außerdem weiß ich jetzt, dass alle fünf Damen es nicht gut finden, dass Kinder ihre Eltern mit dem Vornamen ansprechen. Sowas hätte es früher niemals gegeben!
Und dann noch einen langen Disput über
die Tatsache, dass unsere Politiker (Namen wurden genannt) ja ein
schlechtes Beispiel dafür wären, wie ernst man heutzutage eine Ehe
nehmen würde. Man stritt sich sogar darüber, wie oft Fischer oder Schröder verheiratet waren. Eine der Damen sagte dann allerdings, dass
sie sich, wäre ihr Mann nicht verstorben, auch hätte scheiden lassen.
Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Und weil die anderen vier vermutlich
nicht mit dieser Bemerkung leben konnten, schwammen sie urplötzlich in
verschiedenen Richtungen davon. Das waren
ihre Themen vom Vormittag, die vom Nachmittag erspare ich euch lieber.
In der Toskana-Therme gibt es ein Becken mit Liquid
Sound, dort ist beim Aufenthalt totale Ruhe verpflichtend. Nur diese
"Weiber" mussten am Nachmittag mehrmals von Besuchern zum Ruhig sein
ermahnt werden...
Neben
uns auf den Liegen hat ein älteres Ehepaar Platz genommen. Beide Liegen
waren schon mit Handtüchern belegt, als wir den Raum betraten. Die Menschen zu den Handtüchern kamen erst zwei
Stunden später. Das sind, so vermuten wir, scheinbar sehr erfahrene Mallorca-Touristen,
die sich nur am Hotelpool aufhalten.
Der Mann macht nach einem heftigen Disput mit seiner Gattin über eine falsche Badehose gleich die Augen zu und schläft ein, die Gattin verlässt ganz ungehalten noch einmal den Platz. Herr Nachbar schläft sofort ein, ganz fest und mit offenem Mund und so lauten Geräuschen, dass es sogar bei einer zeitgleichen Durchsage nach dem Besitzer eines falsch abgestelltem PKW zu hören ist. Ganz ehrlich, mich nervt das sehr. Die Frau des Schnarchers ist wieder da und knabbert genüsslich Möhren. Es startet bei mir ein Kopfkino, denn ich denke, vielleicht würde es etwas bewirken, wenn sie eine Möhre einfach in den weit geöffneten Mund ihres Gatten...
Wäre dann vielleicht Ruhe?
Als wir nach langer Zeit im Wasser der vielen Becken zurückkommen, schläft und schnarcht der Liegennachbar immer noch. Ich überlege, ob ich die Dame frage, ob sie mir, bevor sie alle aufgegessen sind, evtl. eine Möhre überlassen würde. Ich würde sie auch nicht essen!
Ich nehme mein Handy und meine Kopfhörer und versuche die Situation mit einem bereits zu Hause begonnenem Hörbuch zu entspannen.
Eine Zeit lang hilft es, dann schlafe auch ich ein. Plötzlich wache ich auf
und war erschrocken, weil der schnarchende Liegennachbar so stürmisch seinen Bademantel angezogen hat, dass er ihn voll über mein Gesicht streifte. Er selbst hat es nicht bemerkt.
Mein Hörbuch läuft noch, nun muss ich
recherchieren, an welcher Stelle des Buches ich denn nicht mehr bewusst
das Geschehen verfolgt habe. Dem Herrn, der mich geweckt hat, sende ich
in Gedanken meinen besten Dank fürs Aufwecken.
Als
ich das am Abend im Hotelzimmer das Handy an
das Ladekabel stecken wollte, merkte ich, dass ich zwar das Ladekabel,
aber den dazu passenden Stecker nicht hatte. Mit dem meines Herrn. L.
ist es leider nicht kompatibel. So ein M...! Ich brauche doch morgen Akku!!!
Warum kann man nicht endlich ein für alle Geräte passendes Ladekabel auf die Welt bringen?
Also ging ich nochmal an die Hotelrezeption. Es gibt doch Fundsachen... Ich war ja mein halbes Leben am Empfang eines Hotels beschäftigt und weiß aus eigener Erfahrung, was Gäste so alles im Zimmer vergessen. Die Dame dort lachte und sagte mir, dass sie so viele Ladekabel hätten, dass wir sicherlich ein passendes finden würden. Und - es war so. Perfekt, der nächste Tag in der Therme wäre gerettet, falls wieder der Herr nebenan... Aber es war eine Familie mit einem sehr lebendigen Kleinkind, und die fünf schnatternden Damen waren auch wieder da.
Nur
den korpulenten Langzeitbader habe ich nicht gesehen, evtl. hat sich
seine Haut noch nicht vom stundenlangen Aufenthalt im Salzwasser erholt.
Ich beobachte ja schon immer gerne Leute. Meine lebenslange Berufstätigkeit war ja immer geprägt vom Kontakt mit ganz verschiedenen Menschen. Hat man Zeit, wie hier in der Therme, denkt man über Menschen nach, die einem mehr als einmal ins Gesichtsfeld kommen, ohne sie zu kennen. Was ist das für ein Mensch, wie tickt er? Was sind sie oder waren sie von Beruf, denn die meisten Besucher sind grauhaarig und betagt und sicher nicht mehr berufstätig?
Waren sie mal Chef oder fürchteten sie ein Leben lang ihre Chefs?
Sind die beiden braun gebrannten gerade von einem Urlaub auf den Malediven zurück und die beiden, die sich ständig küssen, sind sie ein Ehepaar?
Weshalb ist dieser Mann hier, wenn er nie im Wasser ist und ständig eine Art von Schaulaufen veranstaltet, um seinen fast völlig von Tattoos bedeckten Körper zu zeigen?
Man sieht schöne und weniger schöne Menschen. Wenig Junge, überwiegend Ältere. Man sieht schüchterne, denen man anmerkt, dass sie nicht oft in solchen Einrichtungen aufhalten und selbstbewusste, wie die junge Frau mit einer Unterschenkelprothese. Die ganz selbstverständlich ihre Prothese abmacht, sie an die Seite legt und flott ins Wasser geht und im Wasser eine von vielen ist, weil ihr Handicap unsichtbar ist.
Ja, man kann so viele Beobachtungen machen. Und ich erkenne, dass es
überhaupt nicht langweilig wird, sich dem Müßiggang hinzugeben.
Falls ihr bis hierher das Lesen durchgehalten habt, dann danke ich euch recht herzlich dafür.
Und wenn nicht, ist es auch nicht schlimm.
Passt gut auf euch und auf eure Mitmenschen auf, egal, wer sie sind und wo ihr seid.