...oder Nachbemerkungen zum Muttertag.
Als DDR- Kind mit Handarbeitsunterricht in der Schule und
Tochter einer Schneiderin wurde ich schon sehr früh mit Näharbeiten
konfrontiert. Diese absolvierte ich jedoch nur, wenn es sein musste. Und ich,
ein Kind des Jahrganges 1952, hätte niemals gegen etwas rebelliert. Eher habe ich es geduldig ertragen, was die
Handarbeitslehrerin so von mir forderte.
Zum Leidwesen meiner Mutter konnte ich mich auch nicht sehr dafür
begeistern, mit ihr gemeinsam ihre sehr knappe Freizeit auf dem Sofa mit Handarbeiten zu verbringen. Ich war eher, wie würde man
heute sagen, ein Outdoor-Kind.
Was würde ich heute dafür geben, noch einmal einen Abend
lang neben ihr zu sitzen um zu handarbeiten und über Begebenheiten aus meiner
Kindheit zu erzählen…
Leider konnte meine Mutter nicht als Schneiderin ihr Geld
verdienen, sondern musste in der Landwirtschaft arbeiten. Auch konnte sie sich damals
nicht mit künstlerischer Textilgestaltung beschäftigen.
Aber sie hat gestrickt
(meist mit aufgetrennter Wolle), sie hat genäht (oft aus Erwachsenenkleidung
Kindersachen gemacht), sie hat gehäkelt, sie hat gestickt und natürlich
gestopft. Bei vier Kindern war das oft nicht lustig, aber notwendig. Und doch
hat sie ihre Kreativität genutzt, um die meist selbstgemachten Kleidungsstücke
ihrer Kinder zu verzieren.
Einmal hatte ich mir an einem Zaun zwei große Löcher in
einen Pullover gerissen, er war fast neu und es gab ziemlichen Ärger. Denn normal
war es, dass man sich nach der Schule alte Sachen angezogen hat, um draußen zu spielen.
Die Löcher waren an einer Stelle, wo auch ein fachgerechtes Stopfen nicht schön
gewesen wäre. Mutter häkelte viele kleine Blümchen aus Wollresten (die von mir geforderten
gehäkelten waren leider nicht brauchbar) und applizierte sie in einer gebogenen
Linie über das Vorderteil des Pullis, um die Löcher zu überdecken. Als ich den Pulli (gegen meinen Willen) in die
Schule anziehen musste, waren die Mädels in meiner Klasse begeistert von meinem tollen Pullover. Ich sagte ihnen, den Pullover hätte ich schon lange, der wäre aus einem Westpaket. Sie
waren richtig neidisch und streichelten über die Häkelblumen. Ich kann mich nicht erinnern, meiner Mutter je von der Begeisterung
meiner Schulfreundinnen erzählt zu haben. Schade.
Hier zeige ich euch ein paar Bilder aus meinem Fotoalbum mit den Sachen, die mutter liebevoll für mich gemacht hatte.
Ich hatte ein rotes Mändelchen mit weißem Pelz, ein Kleid mit Stickerei, eine
Trachtenstrickjacke und noch sehr, sehr viele andere schöne, ganz individuelle Sachen ...
Unsere Kleidung (auch die der Brüder) war immer etwas Besonderes. Ihre in sich schlummernde Kreativität und das in der Ausbildung gelernte konnte meine Mutter nur
ausleben, wenn sie für uns Kinder etwas herstellte. So hatten die Brüder immer
Gestricktes mit schönen aufwändigen Mustern oder wir Mädchen Genähtes mit allerlei Schnick-
Schnack wie Schleifen, Spitze, Rüschen oder auch Stickereien. Das peppte die
oft weniger schönen Stoffe auf und gaben der Kleidung immer etwas Besonderes.
Trotz ihrer knappen freien Zeit freute sie sich sehr, wenn Frauen
aus dem Dorf kamen und sie baten, etwas für sie oder ihre Kinder zu nähen. Sehr willkommen waren die paar Mark, die sie
dafür bekam. Oft viel zu wenig. Aber viel
mehr Wert hatte das Machen an sich und dass sie sich etwas kreativ ausleben konnte. Denn
die Frauen überließen es ihrem Geschick und ihrer Fantasie, wie sie was nähte.
Und das machte sie, so wie ich das heute sehe, sehr
glücklich.
Meine Mutter ist schon viele Jahre nicht mehr da. Ihr Leben war geprägt von Arbeit, von der Sorge um die Familie, zu der auch eine gesundheitlich angeschlagene Oma und Mutters behinderter Bruder ganz selbstverständlich gehörten. Neben der täglichen Arbeit zum Geldverdienen musste der große Garten und eine kleine Landwirtschaft bewältigt werden.
Ich bin meiner Mutter sehr dankbar. Dankbar für sehr Vieles. Für eine wunderbare, behütete, sorgenlose Kindheit. Dankbar für ihre unabdingbare Liebe, verbunden mit sanfter Strenge. Dankbar bin ich auch dafür, dass sie mir
unnachgiebig den Umgang mit Nadel und Faden beigebracht hat.
Aus ihrer Sicht als Vorbereitung auf das Leben.
Es war jedoch unbewusst die Basis für meine heutige
Beschäftigung mit schönen, vielfältigen, kreativen Dingen.
Ich hätte mir gewünscht, dass sie noch mehr davon erfahren hätte, welch Samenkorn der Kreativität sie da bei mir gelegt hat. Sie würde sich freuen. Das weiß ich ganz sicher.