Es war einmal ein alter Regenschirm. Kann man bei einer Lebensdauer von mehr als 40 Jahren da von Alter sprechen- ich glaube schon.
Ich kenne das Alter des Schirmes deshalb so gut, weil es ein Mitbringsel für meinen Mann von der ersten Westreise meines Schwiegervaters war. Er hatte diesen Schirm von einer Verkäuferin in einem Kaffeeladen als Geschenk bekommen, als er für die Daheimgebliebenen Kaffee kaufte.
Der Schirm war beliebt bei allen Familienmitgliedern, denn er war superleicht und viel größer als die unsrigen.
Er war ein Begleiter auf dem Weg zur Arbeit, in den Urlaub und beim Einkaufen. Man konnte ihn auch mal gut als Spazierstock nutzen- wenn nötig.
Nach meinem Umzug hing er nun 3 Jahrzehnte im Windfang draußen vor unserer Haustür. Benutzt wurde er nur noch für den Gang zum Briefkasten, zur Mülltonne oder zu den Garagen. Dafür war er immer noch gut. Nur sein Bezug war schon lange etwas ausgeblichen.
Jetzt, ganz "plötzlich", entdeckte ich, dass sein Stoff Risse hatte. Ein Todesurteil für einen Regenschirm- eigentlich.
Bei der nächsten Müllaktion sollte er entsorgt werden.
Nun hatte ich ihn in der Hand, bei seinem letzten Weg zur Mülltonne. Wie ein guter Freund lag er in meinen Händen. Wehmut überkam mich. Schade dachte ich, du hast uns, meinem verstorbenen mann und mir, so gute Dienste getan. Dein Gestell ist immer noch in einem perfekten Zustand, die Mechanik funktioniert einwandfrei und auch sonst ist es schade für dich.
Ich legte ihn erst mal an die Seite und besah ihn mir. Es kam mir da so eine Idee. Ich könnte doch...
Ich setzte mich gemütlich in den Wintergarten und befreite den Schirm von seinem Bezug. Kein Problem, denn es ist ja alles nur angenäht.
Dann trennte ich ein Stoffsegment heraus und machte mir einen Schnitt, denn die Seiten der Einzelteile sind gebogen.
Ich suchte in meinem Stofffundus weiße Baumwollstoffe, Reste von alter Bettwäsche, Spitzen und Borten und fing einfach an.
Mit der Nähmethode Pojagi, bei der die Teile alle mit Kappnähten aneinander gefügt werden, um auf beiden Seiten saubere Nähte zu haben, entstanden 8 Segmente.
Ich wollte viele Reste verwenden, weil ich aus meiner Zeit der Pojagi- Gardinen- Näherei noch jede Menge vorrätig hatte.
Außerdem war ich mir nicht sicher, ob das Experiment überhaupt gelingen würde.
Nach dem groben Nähen wurde dann das Originalstoffteil aufgelegt und genau zugeschnitten.
Dann fügte ich die acht Teile mit einer großen Stichlänge zusammen. Erstmal zur Probe. Links herum legte ich den Stoff über das Gestell und steckte die untere Kante mit Nadeln fest. Falls ich noch etwas ändern muss, wäre es so am besten zu markieren. Alles passte auf Anhieb. Ich markierte die Stellen, an denen ich dann die kleinen Metallhülsen annähen muss. Nun konnte ich die Nähte richtig nähen und mit Zick-Zack- Stich versäubern.
Diese Markierungen habe ich mit einem Lineal verbunden. Das war die Linie zum Versäubern des unteren Randes.
Als Abschluss nähte ich eine langes Spitzenband an.
Die Metallhülsen wurden mit der Hand befestigt.
Die obere Mitte habe ich mit einem doppelten Faden zusammengerafft und mehrfach gut vernäht.
Zum Abdecken dieser unschönen Stelle habe ich eine Spitzenrüsche angebracht.
Und nun ist er fertig, mein alter, neuer Schirm.
Zeitaufwand: ein Tag und ein Hörbuch
Materialaufwand: alles alte Bestände = null Euro
Ergebnis: Nähfreude
Unnütz eigentlich, werden jetzt manche denken, denn er ist nicht wirklich für etwas zu gebrauchen. Aber ich habe etwas altes gerettet und ihm neues Leben eingehaucht und außerdem habe ich einen wunderbaren Regentag an der Nähmaschine verbracht.
Wenn ich nicht auf dem Dorf wohnen würde, könnte ich ihn beim Sonntagsspaziergang als Sonnenschirm verwenden. Er ist an manchen Stellen transparent, an anderen lässt er keine Sonne durch.